Missverständnisse und Überforderung sind bei Auslandsaufenthalten keine Seltenheit. Um auf solche Situationen angemessen zu reagieren, ist es sicher hilfreich, an guten Vorbereitungsseminaren zu Sprache und Geschichte des Gastlandes, aber auch zu eigenen Verhaltensweise etc. teilzunehmen. Oft kommt es ohne solche Vorbereitung (aber durchaus auch trotz Seminaren zu Rassismus, Privilegien, etc.) zu vorschnellem Urteil der Freiwilligen über „die Gesellschaft“ im entsprechenden Land.
Zudem gehen Jugendliche oft mit bestimmten Ansprüchen in ihren Freiwilligendienst und sie erwarten, dass sie für die hohe Geldsumme auch genau das kriegen, was ihnen in den Broschüren der Anbieter versprochen wurde. Dass die Menschen im Gastland oft aber nicht sehnsüchtig auf Freiwillige aus Deutschland oder einem anderen Land des Globalen Nordens gewartet haben und sie in der kurzen Zeit, die sie dort verbringen, nicht immer die spannendsten Aufgaben erledigen dürfen, enttäuscht viele und wird nicht immer akzeptiert. Diese unerfüllten Erwartungen führen manchmal zu Frustration und in Verbindung mit mangelndem Verständnis für die Situation in der Einsatzstelle können daraus leicht verstärkte Vorurteile entstehen, anstatt diese abzubauen.
Problematisch sind insbesondere Freiwilligendienste in sozialen Einrichtungen, da die Kinder oder andere Betreute im Projekt gezwungen sind, sich auf jede*n Freiwillige*n neu einzulassen und keine langfristigen Bindungen entstehen können, da sich die Bezugspersonen nach kurzer Zeit wieder verabschieden. Das gilt besonders für Kurzzeitfreiwilligendienste von beispielsweise nur einem Monat, da es nahezu unmöglich ist, sich in einem solch kurzen Zeitraum einzuarbeiten und nebenbei noch zu einer Vertrauensperson für die Menschen im Projekt zu werden.
Auch wenn von vielen Anbietern garantiert wird, keine lokalen Arbeitsplätze würden wegen Freiwilligendienstprogrammen wegfallen, so ist es doch sinnvoll, sich die Frage zu stellen, ob die Arbeit, die Freiwillige in Ländern des Globalen Süden verrichten, nicht auch besser von lokalen, ausgebildeten Arbeitskräften erledigt werden könnte. Zu bedenken sind auch Klimaschäden, die durch den Flug entstehen und die Frage, ob es nicht zynisch ist, unter hohen CO2-Emmissionen in die Länder zu fliegen, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, um den Menschen dort zu „helfen“.
Nicht zu unterschätzen ist letztlich die Verantwortung, die auf den Freiwilligen liegt, differenziert über ihr Gastland zu berichten. Oft gehören sie zu den wenigen Personen in ihrem sozialen Umfeld, die eine Auslandserfahrung im Globalen Süden machen und so werden sie zu einer wichtigen Informationsquelle über das Gastland. Was die Freiwilligen berichten, läuft Gefahr, verallgemeinert zu werden und als umfassende, sachliche Berichterstattung über eine ganze „Gesellschaft“ oder „Kultur“ fehlinterpretiert zu werden. In Blogs, Rundmails oder Berichten nach dem Freiwilligendienst werden durch übertriebene, einseitige Schilderungen oft Vorurteile reproduziert und die Vielfältigkeit des Landes bewusst oder unterbewusst ignoriert und übersehen.